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om64 / Band 9
Christlieb Siegmund Binder (1723–1789)
Concerto e-Moll
für Cemb conc, 2 Vl, Va und Bc
Herausgegeben von Annegret Rosenmüller
om64
Ausgaben*

Bedingt durch das starke musikalische Interesse des sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. sowie die allgemeine Beliebtheit der Gattung rückte im Schaffen Dresdner Musiker das Konzert für Tasteninstrumente im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts stärker in den Vordergrund. Als der produktivste Komponist tat sich hierbei Christlieb Siegmund Binder hervor, der 1723 in Dresden geboren wurde und 1751 als Pantaleonspieler in die Dresdner Hofkapelle eintrat. Von 1764 bis zu seinem Tod 1789 war er als zweiter Hoforganist tätig. In seinem Œuvre beschränkte er sich auf Instrumentalmusik, in welcher das Cembalo entweder als Solo- oder Obligatinstrument eine herausragende Rolle einnimmt. Der größte Teil seiner Werke ist in handschriftlicher Form überliefert und befindet sich heute überwiegend in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, darunter 33 seiner insgesamt 34 erhaltenen Konzerte für Cembalo. Sie entstanden im Zeitraum zwischen etwa 1755 und 1778. Für den Gebrauch bei Hof war lediglich ein Teil davon bestimmt. […] In ihrem Aufbau folgen Binders Kompositionen durchaus Modellen der Zeit, lassen sich jedoch keiner der regionalen Gattungstraditionen zuordnen. Vielmehr zeigen sie einen sehr persönlichen Gestaltungswillen, der zu einer eigenständigen Ausrichtung des Typus führte, ohne daß sich in Dresden dafür direkte Vorbilder finden ließen.

Eine besondere Werkgruppe im Schaffen Binders stellen die achtzehn sogenannten „Kurfürsten-Konzerte“ dar, die er für Friedrich August III. komponierte und die er diesem 1767 überreichte. Bereits 1763 hatte der Komponist auf Befehl der Kurfürstin Maria Antonia Walpurgis Sechs Trios fürs Clavecin mit Flöte oder Violine für den zukünftigen Regenten verfertigt und mit einer Widmung versehen, die des Kurprinzen „ganz ausserordentliche Lust und Fähigkeit zur Music, und bewundernswürdige Geschicklichkeit auf dem Clavecin“ hervorhob. Diese ausgesprochene Affinität zum Tasteninstrument mag Binder – dem offensichtlich kein Auftrag vorlag – veranlasst haben, eine Sammlung von eigenen Cembalokonzerten zu übergeben, deren Zahl auf den bevorstehenden achtzehnten Geburtstag Friedrich August III. anspielte. Da dieser hiermit gleichzeitig die Regierungsmündigkeit erreichte, knüpften sich an das Geschenk des Komponisten vermutlich auch Hoffnungen auf Vergünstigungen durch den jungen Herrscher.

Das Konzert in e-Moll ist das letzte Werk dieser „Kurfürsten-Konzerte“ und weist von sämtlichen Kompositionen der Sammlung die kleinste Besetzung auf. Es verlangt neben dem Soloinstrument lediglich einen vierstimmigen Streicherapparat und verzichtet auf die Hinzufügung von Holzbläsern und/oder Hörnern, wie sie sich – in wechselnder Stärke – in den anderen Konzerten finden. Besondere Erwähnung verdient der dritte Satz, eine Fuga Allabreve, die auf reizvolle Weise kontrapunktische Technik und konzertierende Elemente miteinander vereint. Diese für die Gattung ungewöhnliche Form verwendete auch Johann Sebastian Bach in drei seiner Brandenburgischen Konzerte (BWV 1047, 1049, 1050). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Binder die Nähe zum Werk des Leipziger Thomaskantors ausdrücklich gesucht hat, wusste er doch, dass der Prinz die kontrapunktischen Werke Bachs und Jan Dismas Zelenkas außerordentlich schätzte. Gleichzeitig zeigt sich in der besonderen Faktur des Satzes die Vorliebe des Komponisten für individuelle Lösungen abseits von modischen Trends und sein Vermögen, durch eine Verschmelzung von Altem und Neuem erstaunlich Originäres ans Licht zu bringen.

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